„Wir haben in Deutschland eine ganz schlechte Fehlerkultur.“ Wer hat’s gesagt? So gut wieder jeder Agile Coach, Digital Evangelist und Kreative, den ich kenne. Ich hab’s auch schon mal gesagt – und meinte es auch so. Dann nicken immer alle, klopfen sich gegenseitig auf die Schulter und bestätigen sich gegenseitig als Vorreiter für eine neue Welt: Eine Welt, in der Fehler als Lernquelle gesehen werden. Wo jeder weiß, dass Systeme zu Fehlern führen und der Mensch, der den Fehler begeht, nur zufällig der Auslöser ist.
Und dann gehen die Förderer der neuen Fehlerkultur hin und knöpfen sich auf Twitter dankbare Ziele wie Andreas Scheuer vor. Der wird dann gerne aufs Übelste beleidigt. Manchmal gilt Scheuer als geistig minderbemittelt, manchmal als widerliche Person mit verdorbenem Charakter. Manchmal sowohl als auch.
Fehler zerstören politische Karrieren. Zum Teil, weil die öffentliche Meinung mit vermeintlichen Versagern erbarmungslos ins Gericht geht. Natürlich vertuscht da jeder Politiker seine Fehler soweit es geht. Da gleichen Sie Ärzten, denen ein Kunstfehler unterlaufen ist. Oder vielen normalen Kollegen, wenn ein Projekt scheitert: Schnell jemandem den Stein umbinden und dann abhauen.
Bei Scheuer geht es zu sehr um die Person. Die systemischen Ursachen kritisieren vor allem die Populisten am rechten Rand. Aber dabei geht es auch vor allem um die abgehobene und unmoralische Politikerkaste und nicht um die Suche nach praktischen Verbesserungen.
Es sieht gerade für mich so aus, also ob der Bundesminister einen riesigen Bock geschossen und hunderte Millionen an Steuergeldern verschossen hat. Trotzdem: Wer es mit einer neuen Fehlerkultur in Deutschland ernst meint, muss sich in der öffentlichen Debatte zurückhalten und vor allem für eine sachliche Diskussion sorgen. Weg von der Person, hin zu einer echten Ursachenforschung.
Die schlechte Fehlerkultur in Deutschland schaffen wir alle: Im Privaten, im Beruf und in den sozialen Medien.