
Ich habe eine Axt. Aber ich bin Wikinger, kein verfluchter Holzfäller.
Keine Zeit zum Axt schleifen, weil Du Bäume fällen musst? Oder wenn Consultants und Manager so schlau wie Abraham Lincoln sein wollen und dabei nur heiße Luft von sich geben.
Es gibt Sprachbilder, die sind auf den ersten Blick geistreich: Das Bild vom Holzfäller, der keine Zeit hat, um die Axt zu schärfen, gehört dazu. Damit wird vermeintlich kurzsichtigen Menschen gerne der Vorteil von Digitalisierungsprojekten erklärt: „Du musst hier nur kurz Prozess xy automatisieren und dann läuft doch alles von alleine.“
Aber an dieser Stelle denken aus meiner Sicht viele Führungskräfte und Berater zu kurz. Die meisten Unternehmen sind für den Regelbetrieb ausgelegt. Nach vielen Maßnahmen sind die Unternehmen vor allem effizient: Möglichst wenige Mitarbeiter arbeiten Standardprozesse ab. Es gibt Top-Führungskräfte, Stabstellen und Berater, die sich um die Zukunft kümmern. Sie haben Ideen. Oft sogar gute. Aber, für die Umsetzung der Ideen müssen dann wieder die Menschen mitmachen, die eigentlich in der Linie (verräterische Sprache) das Standardgeschäft abwickeln. Kurz im Projekt die Zähne zusammenbeißen, ein paar Überstunden und die Kollegen sollen einen halt vertreten und wenn ein bisschen was liegen bleibt, halb so wild.
Die Jungs (leider wenige Mädels) aus der IT sind in Projekten sehr häufig gefragt. Klar, es ist ja auch das Zeitalter der digitalen Transformation. Die IT ist aber – in meiner Wahrnehmung – auch viel zu häufig auf den Regelbetrieb ausgelegt. Praxisbeispiele: 140 Mitarbeiter und davon zwei in der IT. Oder 150 Mitarbeiter und drei Stellen für die IT, aber einer kommt nur noch halbtags. Einer macht strategische Projekte, der andere den Admin. Und nun verdreifacht die Unternehmensführung einfach mal die Anzahl der Projekte.
In der IT regt sich Widerstand: Wir haben keine Zeit für weitere Projekte. Darauf folgt dann das oben beschriebene Gegenargument: Mit der neuen Plattform wird doch alles viel besser, dass ist doch auch für Euch gut. Ihr müsst bei dem Planungsworkshop unbedingt mitmachen. Kommt, lasst uns doch mal überlegen, wie wir das machen. Abraham Lincoln hat gesagt: „ Wenn ich acht Stunden Zeit hätte, um Bäume zu fällen, würde ich sechs Stunden die Axt schärfen.“
Viele IT-ler wünschen sich gerne eine Axt im Büro, aber nicht zum Bäume fällen. Sie sind nämlich Wikinger. Bei den Wikingern galt ein Boot als seetauglich, wenn ein Mensch mit einem Eimer permanent genug Wasser aus dem Boot befördern konnte, um ein Absaufen zu verhindern. Die IT-ler sind heute zu oft die armen Schweine mit dem Eimer. Auf dem Ozean einen Schritt zurück machen und über bessere Eimer nachdenken: Alle sind tot.
Es gibt keine wartungsfreie IT. Jeden Tag muss etwas getan werden. Ansonsten können, zum Teil sehr schnell, sehr viele Leute ohne E-Mails, Log-ins oder Netzwerk ihrer Arbeit nicht nachkommen.
IT-Abteilungen müssen für eine erfolgreiche digitale Transformation deutlich aufgestockt werden. Nicht für den Regelbetrieb, sondern um auch permanent in Projekten arbeiten zu können. Und wenn es mal kein Projekt aus dem Vorstand gibt, kommen die Kollegen* bestimmt selbst auf gute Ideen für eigene Projekte zur Verbesserung der IT.
Über den Autor
Daniel Herrmann
Ehemaliger Business-Kasper | Ausgewildertes Spielkind
Ich bin Game Thinker, Consultant und fanatischer Anhänger der Theorie Y. Meine Frau findet mich unfreiwillig komisch. Maximal 2 von 100 Menschen werden in Gesprächen mit mir dümmer.
Co-Founder von Monokel Consulting, Serious PlayScape und RokaEnergy.
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