Transparenz und Verantwortung – zweischneidige Schwerter für Petzen ohne Freunde

Als Berater landet man zwangsläufig in den schwierigeren Projekten. Für Projekte, die einfach wie von selbst laufen, benötigt man in der Regel keine externe Unterstützung.

Beim Einsatz von Beratern ist – zumindest in meinem Leben – immer mindestens eine der folgenden Fragen ungeklärt

  • Was ist das Problem und wo liegen seine Ursachen?
  • Was ist zu tun?
  • Wie machen wir das genau?
  • Wer macht das?

Manchmal kreisen diese vier Fragen eng miteinander verwoben umeinander und eigentlich müsste man diese in immer größeren Iterationen immer besser beantworten.

Gewünscht ist aber eine schnelle, effiziente und natürlich effektive Umsetzung des Projekts. Irgendjemand in der Nähe der Pyramidenspitze beantwortet diese Fragen und gibt den Startschuss für das Projekt.

Das Projektmanagement muss von nun an Transparenz sorgen und nachhalten wer für was die Verantwortung übernommen hat. Der Berater oder ein von Beratern unterstützter Vollstrecker treibt die MitarbeiterInnen im Projektteam an. Wenn es nicht läuft, wird gerne nach mehr Transparenz und mehr Verbindlichkeit bei der Übernommenen Verantwortung gerufen. Besser läuft es dann aber nur selten.

Dabei habe ich zwei Ursachen beobachtet:

  1. Der (unbewusste) Missbrauch des Wortes Verantwortung
  2. Ein missbräuchliche Verordnung von Transparenz

Der Missbrauch des Wortes Verantwortung:

Im Englischen gibt es für Verantwortung die Worte Ownerhship, Responsibility und Accountability. Simon Sinek hat mal gesagt, dass, wenn die Menschen nach Accountability rufen, die Organisation nicht so gestaltet ist, dass Menschen Ownership übernehmen wollen.

Diese Aussage beschäftigt mich in der letzten Wochen sehr intensiv. Fast immer, wenn in schlecht laufenden Projekten von Verantwortung oder Verantwortlichkeit gesprochen wird, geht es darum, dass ein armes Schwein rechenschaftspflichtig gemacht werden soll. Im besten Fall wird er dabei so unter Druck gesetzt, dass er sich tatsächlich dafür einsetzt, das Projekt zum Erfolg zu bringen. Auch wenn er dafür ein anderes Projekt, in dem er nicht rechenschaftspflichtig ist, opfern muss. Motivation heißt hier, dem Druck auszuweichen. Im schlechtesten Fall geht es nur darum, EINEN Schuldigen zu finden, damit nicht ALLE schuldig sind.

Es geht aber fast nie darum, das ganze Projekt inklusive der Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Menschen gerne die Verantwortung übernehmen und das Projekt zum Erfolg bringen wollen. Also positive Motivation durch Vorfreude auf die Projektergebnisse – Erreichung der Projektziele, Erfahrungsgewinn, Anerkennung.

Eine Organisation, in der es in Projekten immer um Verantwortung geht, hat tiefgreifende Probleme. Sehr häufig liegt es an einer mangelnden Priorisierung von Projekten und einer Überlast an gleichzeitig laufenden Projekten. Die Lösung wäre eine Reduktion der Projekte oder ein Aufbau von weiteren Kapazitäten.

Gut vernetzte Projektmanager*innen können viel auf dem kurzen Dienstweg bewirken. Natürlich zu Lasten von anderen Projekten. Als schlecht vernetzter Projektmanager kann ich nur nach Transparenz rufen. Die Überlast der Organisation zwingt dazu, sich wie eine Petze ständig an den Kindergärtner zu wenden.

Dies führt zum zweiten Punkt, dem Missbrauch von Transparenz:
Transparenz ist super. Wenn alle Beteiligten von sich aus zu dem Schluss kommen, dass geteilte Informationen dazu führen, dass man sich besser helfen kann. Verordnete Transparenz, in einer Kultur der Rechenschaftspflicht, führt zu noch weniger Offenheit. Wenn Transparenz vor allem dazu dient, schuldhaftes Verhalten zu dokumentieren ist die Forderung nach Transparenz vor allem ein zusätzlich „Herrschaftsinstrument“. Transparenz sollte aber vor allem die tägliche Zusammenarbeit der Mitarbeiter verbessern und nicht die Fähigkeit, bei Problemen Hilfe aus der Chefetage zu organisieren.

Was ist mit der „Fehlerkultur“?

Meine geschätzte Kollegin Canel Tokan sieht die Hauptursache in der sogenannten Fehlerkultur. Sie sagt:

„Was mir beim Durchlesen deines Textes in den Sinn kommt ist der Umgang mit Fehlern. Fehler sind in unserer deutschen Kultur höchst unerwünscht. Learning by doing ist nicht umsonst ein Satz, zu dem es im Deutschen kein perfektes Pendant gibt 😃 „Aus Fehlern lernen“ ist nämlich nicht das Gleiche. Der Weg -„By doing“ – wird dort völlig außer Acht gelassen.“

Verantwortung zu übernehmen bedeutet für etwas einzustehen. Man muss nur für etwas einstehen, wenn etwas passiert ist, was nicht ganz nach Plan läuft. Das bedeutet, man muss Fehler eingestehen können. Ich finde da liegt der Knackpunkt an und der Ursprung der Sache. Wenn Fehler erlaubt sind, ist es gar nicht so schwer dafür Verantwortung zu übernehmen. Dann muss auch nicht ein Schuldiger gesucht werden, einen „Schuldigen“ in dem Sinne gibt es dann nämlich gar nicht. Schuld ist die Ursache von etwas Unangenehmen. Wenn Fehler nicht unangenehm sind, gibt es auch keinen Schuldigen 😀

Und hier muss ich ihr zumindest in Teilen widersprechen. Wenn ich gedrängt werden, für etwas rechenschaftspflichtig zu sein, dass aufgrund der Rahmenbedingungen keine Aussicht auf Erfolg hat – zum Beispiel, weil zu viele Projekte gleichzeitig laufen – werde ich niemals für den Misserfolg einstehen. Den Fehler begeht in diesem Fall das obere Management durch Nicht-Handeln, durch fehlende Priorisierung. Überspitzt gesagt: Wenn die Offiziere das Schiff gegen den Eisberg steuern, hilft es wenig, wenn danach ein Projektleiter eine Lernschleife beim Anordnen der Liegestühle durchläuft. Eine positiver Umgang mit Fehlern heißt nicht nur, Fehler zu enttabuisieren, sondern auch aus Ihnen zu lernen, um sie in Zukunft zu vermeiden. Dafür benötige ich aber Zeit und „Unterlast“. In Organisationen mit zu vielen parallelen Projekten, fällt eine strukturierte Reflektion fast immer aus. Weil ein Projekt nicht abgeschlossen wird, sondern mit Nacharbeiten ausläuft, während das nächste Projekt sofort starten „muss“.

Also?


Organisationen sollten so beschaffen sein, dass Menschen gerne Verantwortung übernehmen und Informationen teilen. Falls sich Kolleg*innen ständig um Verantwortung winden wie Aale oder Informationen hüten wie Goldbarren, habe ich mir persönlich folgendes vorgenommen: Nicht mehr an der Person abarbeiten, sondern auf die Umstände einwirken, unter denen Menschen zu geheimniskrämerischen Drückeberger*innen geworden sind.

Über den Autor

Daniel Herrmann

Ehemaliger Business-Kasper | Ausgewildertes Spielkind

Ich bin Game Thinker, Consultant und fanatischer Anhänger der Theorie Y. Meine Frau findet mich unfreiwillig komisch. Maximal 2 von 100 Menschen werden in Gesprächen mit mir dümmer.

Co-Founder von Monokel Consulting, Serious PlayScape und RokaEnergy.

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