Employee Experience Nutzen

Employee Experience klingt für viele nach Customer Experience. Manch einer denkt dann direkt an „der Kunde ist König“. Und wer will als Chef* von seinen Mitarbeitern regiert werden? Aber warum lohnt sich auch für Menschen, die glauben, dass Arbeit nicht zu schön sein darf, sonst würde sie ja nicht Arbeit heißen? Was ist der Nutzen von Employee Experience?

Der Mitarbeiter als König?

Employee Experience klingt für viele nach Customer Experience. Manch einer denkt dann direkt an „der Kunde ist König“. Und wer will als Chef* von seinen Mitarbeitern regiert werden? Aber warum lohnt sich auch für Menschen, die glauben, dass Arbeit nicht zu schön sein darf, sonst würde sie ja nicht Arbeit heißen?
Die Anhänger* der Theorie Y, die Arbeitgeber* und Führungskräfte, die Ihren Mitarbeitern* etwas zurückgeben wollen, die Leser der Neuen Narrative ist es wahrscheinlich einfach: Employee Experience gibt eine andere Perspektive und die Werkzeuge, um die Bedürfnisse der menschlichen Mitmacher* zu erkennen, einzuordnen und im Rahmen der Möglichkeiten zu erfüllen.


Für Digitale Evangelisten, für die Treiber von Transformation, für die Visionäre ist Employee Experience wichtig: Es gibt eine hohe Dynamik, Kundenwünsche ändern sich immer schneller, exponentielles Denken ist notwendig: Durch die Gestaltung der Employee Experience geben wir Mitarbeitern nicht nur die Kultur und physische Umwelt, sondern auch die richtigen digitalen Werkzeuge, um die neuen Kundenwünsche schnell zu erkennen und zu erfüllen.

Der Mensch als Produktionsfaktor

 

Aber was ist mit den Turbokapitalisten, für die Mitarbeiter* in erster Linie Produktionsfaktor sind?

Da sieht es wie folgt aus:

  1. Mitarbeiter kosten Geld. Vielleicht sogar viel oder zu viel Geld.
  2. Wenn Mitarbeiter rumsitzen oder nicht motiviert werden können ist das Geldverschwendung. Kapital im Kapitalismus nicht optimal zu nutzen ist Mist.
  3. Mehr Druck und mehr Kontrolle funktioniert nicht so gut, wie wir das 1960 im BWL-Studium gelernt haben:
    1. Angst verhindert Kreativität. In Zeiten der digitalen Transformation ist Kreativität aber zwingen notwendig, um Wettbewerbsfähig zu bleiben.
    2. Druck kommt mit hohem Kosten: Menschen fallen unter Druck aus. Es gibt Schäden durch langfristige Ausfälle und Leistungsabfälle. Druck bringt das Schlechte in Menschen hervor und gelegentlich fügen und geknechtete Mitarbeiter dem Unternehmen in Extremfällen bewusst Schaden zu.
    3. Menschen, die den Druck nicht aushalten werden entlassen. Menschen, die den Druck nicht aushalten wollen, verlassen das System. Je komplexer eine Tätigkeit ist, desto länger dauern Stellenbesetzung und Einarbeitung. Da war doch was? Genau, in der digitalen Transformation werden viele Tätigkeiten immer komplexer. Hohe Fluktuation ist extrem teuer. Wie teuer denn? Amerikanische Studien gehen von 25.000 – 50.000 Dollar pro Stelle aus. In Deutschland mit unseren hohen rechtlichen Standards ist es garantiert noch teurer. Darin eingerechnet sind auch noch keine indirekten Kosten wie Produktivitätsabfälle oder Umsatzeinbußen.
  4. Mangelware Mensch: Sprache ist verräterisch, Menschen sollten keine Ware sein. Unabhängig von den Kosten für eine Stellenbesetzung lautet die Frage immer häufiger: Bekomme ich überhaupt noch einen geeigneten Kandidaten für den Job? Der demographische Druck ist hoch und gefragte Mitarbeiter müssen besser bezahlt werden. Eine Mitarbeiterin wird für eine Gehaltserhöhung von 2.000€ auf 2.500€ einige Strapazen ertragen. Eine Erhöhung von 4.500 € auf 5.000€ oder sogar 5.500€ wird ihre Lebensqualität nicht im gleichen Umfang erhöhen. Je besser Mitarbeiter bezahlt werden, desto wichtiger ist eine gute Employee Experience.
 

Für Turbokapitalisten bietet Employee-Experience-Management deswegen die große Chance, langfristig das Meiste aus den Mitarbeitern rauszupressen und sie selbst dann noch weiter zu verwerten, wenn sie gar nicht mehr vom Unternehmen bezahlt werden. Weil Sie immer noch begeistert sind und weiterhin Werbung für Euch machen.

Der Nutzen von Employee Experience graphisch dargestellt

Die Frage nach dem „warum sollte mich das Thema Employee Experience eigentlich interessieren“, lässt sich mit einer Reihe von Diagrammen beantworten:

Der Zusammenhang von digitaler Transformation und der Bedeutung des Faktors Mensch, also von Empathie, Kreativität oder Kommunikation

Nutzen employee experience ex

Glaubt man diesem Diagramm (konkret geklaut aus dem Buch Organisation in einer digitalen Zeit von Malte Foegen und Christian Kaczmarek) wird der Faktor Mensch in den dynamischen Zeiten der digitalen Transformation immer wichtiger.
Dabei gibt es eine kurzfristige und eine langfristige Komponente: Kurzfristig können IT-Systeme auf Unternehmensebene kaum schnell genug angepasst werden, um den wechselnden Marktbedürfnissen hinterherzukommen. Mitarbeiter müssen spontan und pragmatisch mit improvisierten Lösungen zu Recht kommen. Langfristig wird alles was automatisiert werden kann, irgendwann automatisiert sein. Alle verbleibenden Tätigkeiten sind zutiefst menschlich: Es geht um Kreativität und Empathie. 

Kurzfristig muss die Employee Experience so gestaltet werden, dass Mitarbeiter adaptionsfähig sind. Dazu gehören flexibel einsetzbare digitale Werkzeuge.

Langfristig muss die Employee Experience so gestaltet werden, dass Mitarbeiter von Übeln der Büroarbeit, wie Bürokratie und stupiden Tätigkeiten befreit werden. Digitale Werkzeuge befreien den Mitarbeiter von jeglichem Ballast.
Employee-Experience-Management bewirkt, dass der Faktor Mensch zum Wettbewerbsvorteil wird. Mitarbeitende Menschen rufen ihr volles Potential ab und passen sich dabei den Anforderungen einer dynamischen Umgebung an.

2. Das Integral der Leistung eines Mitarbeiters über die Zeit im Unternehmen

Konstante Leistung als Ziel
employee experience ex Zeit im Unternehmen

Das Ziel der klassischen Betriebswirtschaf lautet hier: Der Mitarbeiter muss permanent an seiner Leistungsgrenze arbeiten. Tut er dies nicht, haben er und das Management versagt.

Praktisch schwankt die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern im Zeitverlauf:

Das Ziel der klassischen Betriebswirtschaf lautet hier: Der Mitarbeiter muss permanent an seiner Leistungsgrenze arbeiten. Tut er dies nicht, haben er und das Management versagt.

Sogar Maschinen haben Anlaufprobleme und sind aufgrund von Fehlern und Instandhaltungstätigkeiten nicht immer gleich produktiv. Mitarbeiter sind noch schlimmer: Sie sind Menschen. Menschen haben noch ganz andere Schwächen. Die Erklärung für die Leistungsschwankungen könnte wie folgt aussehen:

Vielleicht aber auch so:

Employee-Experience-Management bewirkt, dass die praktische Leistungsgrenze näher an die theoretische Leistungsgrenze rückt. Außerdem wirken Mitarbeiter nach dem Austritt weiter als aktiver Netzwerkknoten für das Unternehmen: Für das Wissensmanagement, für Kundenkontakte, für Weiterempfehlungen bei potentiellen neuen Mitarbeitern.

3. Die Aufteilung der Arbeitszeit eines Mitarbeiters über die Zeit im Unternehmen

Man kann darauf schauen, wie ein Mitarbeiter die Tage im Unternehmen verbringt. Was kann er tun? Eine Mitarbeiterin kann direkt Werte für den Kunden schaffen, in dem sie ein Werkstück dreht, eine Zeile Code schreibt oder im Support ein Anliegen klärt. Ein Mitarbeiter kann aber auch andere zur Wertschöpfung befähigen, in dem die Büros putzt oder das Lager mit den richtigen Materialien bestückt. Er kann sich selbst befähigen, seine zukünftige Arbeit noch besser zu machen. Oder er kann sein Arbeitszeit mit administrativen Tätigkeiten verbringen. Zum Beispiel, in dem der seinen Urlaubsantrag bearbeitet, die Reisekostenabrechnung ausfüllt oder seine Stunden verschreibt. Den Kunden interessiert das nicht, aber das Unternehmen benötigt diese Tätigkeiten. Zum Beispiel damit die Buchhaltung so gemacht wird, dass es niemand ins Gefängnis muss. Ein Mitarbeiter kann seine Arbeits- und Lebenszeit im Unternehmen aber auch einfach verschwenden: Er wartet, während eine Software lädt. Er liest drei Stunden Zeitung auf der Toilette. Er läuft über den Flur und erzählt allen Kollegen, wie blöd der Chef ist. Er benötigt dreißig Minuten statt fünf Minuten für einen Vorgang, da er auf eine vernünftige Mittagspause verzichtet hat und jetzt andauernd verträumt aus dem Fenster schaut.


Employee-Experience-Management bewirkt, dass Mitarbeiter*innen möglichste jeden Tag ein Stück mehr aus Ihrer Zeit im Unternehmen herausholen. Sie sind motivierter und können mehr Zeit mit passenden Werkzeugen an den „richtigen“ Aufgaben arbeiten.

Beispiel 1: Mitarbeiter in der Wertschöpfung
Beispiel 2: Mitarbeiter in Querschnittsfunktionen

Dahinter stehen ein grundsätzliche Fragen:

  • Wozu ist der Mitarbeiter im Unternehmen?
  • Was braucht er, damit er die Wirksamkeit entfaltet und spürt, die er und das Unternehmen wünschen?
  • Was macht er wirklich den ganzen Tag? Wann leistet er? Wann nicht?
 

Viele Menschen – auch ich – neigen dazu, anderen Menschen eine Employee Experience ähnlich der eigenen zuzuschreiben. Manager haben zum Beispiel viele Meetings, schnell wechselnde Themen und sehr häufig wenige Detailkenntnisse. Viele Bälle jonglieren. Für viele Ihrer Mitarbeiter sieht ein Arbeitstag eventuell ganz anders aus. Ein Prozessschritt und die gleiche SAP-Maske jeden Tag. Fast kein CEO weiß, wie sich das anfühlt. 

Es geht hier bei kleinen Verbesserungen der EX nicht nur um drei Minuten Zeitersparnis. Es geht auch darum, als Unternehmen anzuerkennen, dass diese Mitarbeiter viel von ihrem Job verstehen und dass ihre Verbesserungsvorschläge umgesetzt werden. Es geht um die langfristige Steigerung der Zufriedenheit und Motivation. Darum, die vorhandene Zeit intensiver zu nutzen und nicht nur darum, ein paar Minuten zusätzliche Zeit zu gewinnen.

Über den Autor

Daniel Herrmann

Ehemaliger Business-Kasper | Ausgewildertes Spielkind

Ich bin Game Thinker, Consultant und fanatischer Anhänger der Theorie Y. Meine Frau findet mich unfreiwillig komisch. Maximal 2 von 100 Menschen werden in Gesprächen mit mir dümmer.

Co-Founder von Monokel Consulting, Serious PlayScape und RokaEnergy.

Mehr zum Thema Game Thinking lesen:

Thesen trollen trompeten

thesen trolllen und trompeten #1 – Matthias Lenssen

Thesen, Trollen & Trompeten ist ein Austauschformat zwischen klugen Köpfen und mir, Daniel Herrmann.

Mein erster Dialogparnter ist Matthias Lenssen.

Er schreibt mit mir über Purpose, Coaching, Design Thinking und darüber wie man es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, Geld von Konzernen zu nehmen, obwohl man sich eigentlich eine enkelfähige Welt wünscht.

Weiterlesen
Wireframe Bild

Wireframe

Wireframes sind einfache Prototypen mit denen Designer das Grundgerüst einer Webseite oder Web-App gestalten. Der Wireframe ist ursprünglich ein Gitter (wie ein Drahtzaun), welches die Webseite in Planquadrate unterteilt.

Weiterlesen
Hirnflattern

Hirnflattern Nummer 1

Es gibt bemerkenswerte Ergebnisse einer Studie zum Thema Übergewicht. Größter Indikator für das (Über-)Gewicht einer Person ist demnach der BMI der besten Freunde. Wer übergewichtige Freunde hat, ist mit großer Wahrscheinlichkeit selbst übergewichtig. Mit allen entsprechenden Auswirkungen. Der Grund hängt vermutlich mit kontextueller Wahrnehmung zusammen: Du bemisst Dein Gewicht nicht nach objektiv messbaren Kriterien (wie dem BMI), sondern vergleichst Dich mit anderen.

Weiterlesen
prototyping game thinking killer

Prototyping ist wie Liebe im Karneval

Die Organisationen nutzen Prototyping, um schnell zu lernen und Produkte näher an den internen und externen Nutzern zu entwickeln. Tatsächlich wird viel schneller mit der Umsetzung begonnen und die Zeit von der Idee zur Verwirklichung wird drastisch verkürzt. Die Entwicklungsteams gewinnen dadurch schon sehr früh valide Daten über Nutzerwünsche sowie technische Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten.
Trotzdem nutzen die Unternehmen das Potenzial von Prototyping nicht aus.

Weiterlesen