Definitionen im Kontext von Game Thinking – Arbeitshypothesen

Game Thinking Definitions

Das ist der aktuelle Stand meiner persönlichen Definitionen für die wichtigsten Begriffe im Kontext von Game Thinking. Diese Definitionen haben sich in der Vergangenheit geändert, sind heute nur zum Teil korrekt und werden sich auch in Zukunft weiterentwickeln.
Es ist mein Ziel, praxistaugliche Definitionen für den Einsatz in Innovationsprojekten zu entwickeln. Es geht nicht um universelle und zeitlose Definitionen.

1. Spielen (Play):

Um die Definition von Spielen (Play) ringen interessierte Akademiker, Praktiker und klugscheißende Profilneurotiker seit sehr langer Zeit.
Dabei wird das Werkstück aus der Perspektive von verschiedenen Disziplinen bearbeitet: Anthropologen in ihren verschiedenen Facetten (Wiki), Biologen und nicht zuletzt (Game) Designer.
Ich habe einen Haufen dieser Definitionen gelesen und bin für mich persönlich zum Schluss gekommen, dass der praktische Grenznutzen einer weiteren Definition gleich Null ist. Für meine berufliche Praxis sind zwei bestehende Definitionen am besten geeignet.

Spiel ist freie Bewegung in einem starreren System. Das ist richtig, aber praktisch nicht hilfreich. Deswegen treffen die Autoren eine weitere Unterscheidung:

  • Spielerisch sein: Zustand eines spielerischen Gemüts- und Geisteszustands, wenn andere Aktivitäten mit einer spielerischen Haltung ausgeführt werden. Umfasst auch spielerische Handlungen und Game Play.
  • Spielerische Handlungen: Spielerisches Verhalten außerhalb eines Spiels, zum Beispiel das Herumtollen von Tieren oder toben von Kindern. Spielerische Handlungen sind eine Teilmenge von „spielerisch sein.“
  • Game Play: Die formalisierte und fokussierte Interaktion, wenn Spieler den Regeln eines Spiels folgen, um es zu spielen. Game Play ist eine Teilmenge von „spielerischen Handlungen.“

Die Definition von Scott G. Eberle

Er greift vor allem die bestehenden Definitionen aus der Biologie und entwickelt diese weiter:
Spielen ist ein emergenter Prozess, der um die Elemente Vorfreude, Überraschung, Vergnügen, Stärke und Haltung (poise) kreist. Spielen kann nicht digital definiert werden. Also es handelt sich um Spielen oder nicht. Sondern Verhalten zeichnet sich durch mehr oder weniger spielerische Elemente aus und kann in der Gesamtbetrachtung in einem einzelnen Moment als Spielen betrachtet werden. Hier gibt es den Artikel.

Meine Definition

Wenn ich eine eigene Definition abgeben müsste, um mein Leben zu retten, würde sie wie folgt lauten:

„Spielen ist der natürliche und vergnügliche Weg, mit dem sich Menschen die Welt erschließen und aneignen. Das wahrgenommene Vergnügen unterscheidet sich dabei von Spieler zu Spieler und in den Unteraktivitäten Entdecken, Verstehen und Meistern. “

Spiel (Game):

Ein Spiel ist ein System, in dem Spieler einen durch Regeln definierten künstlichen Konflikt/Wettbewerb mit einem messbaren Ergebnis austragen. Aus Rules of Play.

Game-inspired Design:

Bezeichnet die Anlehnung an die Ästhetik von Spielen, ohne ein spielerisches Erlebnis zu bieten. Zum Beispiel, wenn Aufzählungszeichen auf einem Flyer wie die Tasten eines Controllers gestaltet werden.

Gamification

Auch Gamification ist ein heiß diskutierter Begriff. Aus verschiedenen Perspektiven ringen Menschen um die Deutungshoheit.

Gamification bedeutet für mich, User Experience (Nutzererlebnisse) auf die menschlichen Motivationssysteme Belohnung, Vermeidung und Bindung auszurichten, indem Aktivitäten als spielerischer Prozess gestaltet werden und dabei Elemente aus dem Game Design (Objekte, Mechaniken, Dynamiken) zum Teil der User Experience werden. 

Es gibt bei den bestehenden Definitionen folgende Extrempole:

  • Bloßes Hinzufügen von Game Elementen (z.B. Rankings) zu Produkten, ohne eine tiefgreifende Veränderung der User Experience.
  • Der versteckte Einsatz von Triggern für Motivationssysteme in Produkten ohne sichtbare Game Elemente, aber durch den Einsatz von aneinandergereihten (Game) Loops ohne Unterbrechung. Zum Beispiel Endlosscroll auf Webseiten, die z.B. dazu führen, dass Nutzer in einem „Dopaminrausch“ weiterlesen.
  • Echte Spiele (Games Games) ohne offensichtlichen Bezug zur echten Welt, die lediglich durch die Reflektion des Nutzers außerhalb des Spiels wirksam werden.

Gameful Design:

Ist mir egal. Es handelt sich aus meiner Sicht um eine akademische Diskussion ohne praktische Relevanz. Aus Nutzersicht macht es keinen Unterschied. Wer unbedingt will, kann aber hier mehr erfahren.

Spielende Organisationen (Playful Organizations):

Spielende Organisationen sind Organisationen, bei denen Games und Play selbstverständlicher Bestandteil der Unternehmenskultur sind und eingesetzt werden beim persönlichen und kollektiven Lernen, der Gestaltung und Pflege von persönlichen Beziehungen und Konflikten, der Analyse von auftretenden Problemen, der Entwicklung und Prüfung von neuen Lösungen und damit insgesamt, um Unternehmen an eine veränderte Umwelt anzupassen.

Game Thinking

Game Thinking bezeichnet Handwerk und Haltung, um innovative Organisationen zu gestalten, die von der Neugier und Begeisterung ihrer Mitarbeiter und Nutzer angetrieben werden.

Game Thinking ist ein System aus Haltung, Handwerk, Prozessen und Methoden. Nicht die einzelnen Elemente sind das Besondere, sondern die Kuration dieser Elemente mit einem klaren Ziel: den Spieltrieb von Nutzern und Mitarbeitern als Triebfeder zu nutzen, um eine Zukunft zu schaffen, in der Technologien Werkzeug für eine lebenswerte Welt sind.

Game Thinking umfasst fünf Bestandteile: Game Design, Gamification, Empathie-getriebene Innovation, Game Publishing und Growth-Hacking sowie spielende Organisationen.

Innovation

Aus einer Idee resultierende Neuerung von Prozessen, Produkten und Erlebnissen (experiences), die ihr Nutzenversprechen im praktischen Einsatz erfüllt hat. Damit grenzt sich Innovation von einer bloßen Neuerung (novelty) ab.

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Es gibt Sprachbilder, die sind auf den ersten Blick geistreich: Das Bild vom Holzfäller, der keine Zeit hat, um die Axt zu schärfen, gehört dazu. Damit wird vermeintlich kurzsichtigen Menschen gerne der Vorteil von Digitalisierungsprojekten erklärt: „Du musst hier nur kurz Prozess xy automatisieren und dann läuft doch alles von alleine.“

Viele IT-ler wünschen sich gerne eine Axt im Büro, aber nicht zum Bäume fällen.

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Aber wie hat ein Indie-Game-Designer es ohne Investoren aus dem schwedischen Kaff Edsbyn in eine geschmacklose Villa in L.A. geschafft? Auf diese Villa hatten übrigens auch JAY-Z und Beyoncé ein Auge geworfen bis Notch das Ding für 80 Millionen Dollar geritzt hat. War es einfach Glück? Gottgegebenes Talent? Oder hat Notch – möglicherweise unbewusst – Regeln befolgt, die auch unter anderen Umständen Erfolg versprechen?

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