Hirnflattern

Sag mir, ob Deine beste Freundin nachts Nutella aus dem Glas isst und ich sage Dir, wie innovativ Dein Unternehmen ist.

Es gibt bemerkenswerte Ergebnisse einer Studie zum Thema Übergewicht. Größter Indikator für das (Über-)Gewicht einer Person ist demnach der BMI der besten Freunde. Wer übergewichtige Freunde hat, ist mit großer Wahrscheinlichkeit selbst übergewichtig. Mit allen entsprechenden Auswirkungen. Der Grund hängt vermutlich mit kontextueller Wahrnehmung zusammen: Du bemisst Dein Gewicht nicht nach objektiv messbaren Kriterien (wie dem BMI), sondern vergleichst Dich mit anderen.


Warum ist das für die Arbeitswelt interessant? Weil auch hier kontextuelle Wahrnehmung eine Rolle spielt. Ein Zitat: „Seit der neue Chef da ist, haben wir total flache Hierarchien. Ich kann mir jederzeit einen Termin geben lassen, wenn ich eine Freigabe benötige.“ Die Aussage ist subjektiv richtig, weil hier mit den Zuständen vorher und im Rest des Unternehmens verglichen wurde. Aber niemand in einem innovativen Unternehmen, in dem agile Werte gelebt werden, würde da von flachen Hierarchien sprechen.


Ich habe mehrere Jahre in der Energiebranche gearbeitet. Es gibt sehr innovative Energieversorger, aber in manchen Stadtwerken herrscht noch der Geist einer „Behörde für Strombelieferung“. Trotzdem habe ich oft Sachen gehört wie „wir verändern uns so schnell“, „es hat sich schon so viel getan“ oder „die anderen Stadtwerke warten in der Frage auch ab, wir sollten abwarten, bis alle Rahmenbedingungen geklärt sind“. Mit Blick auf die digitale Transformation waren also nicht Unternehmen wie Google oder Amazon Referenzpunkt, sondern andere Stadtwerke oder Kollegen kurz vor dem Renteneintritt.


Es gibt das Zitat: „Wenn Du der schlauste Mensch im Raum bist, bist Du im falschen Raum.“ Und das stimmt.


Was kann man tun?


Die eigene Betriebsblindheit mit einer externen Perspektive abgleichen. Ich habe zwar großes Eigeninteresse, dass man das mit Beratern macht, aber es gibt auch andere Wege: Mit Vorreitern aus anderen Branchen reden. Mitarbeiter auf Konferenzen, Barcamps oder Hackathons schicken. Aber bitte nicht nur den hippen Organisationsentwickler, sondern auch „ganz normale“ Kollegen. Einfach aus der eigenen Komfortzone raus. Auch wenn man sich im Freibad erst mal unwohl fühlt.

Über den Autor

Daniel Herrmann

Ehemaliger Business-Kasper | Ausgewildertes Spielkind

Ich bin Game Thinker, Consultant und fanatischer Anhänger der Theorie Y. Meine Frau findet mich unfreiwillig komisch. Maximal 2 von 100 Menschen werden in Gesprächen mit mir dümmer.

Co-Founder von Monokel Consulting, Serious PlayScape und RokaEnergy.